Von Martin Mezger

Ludwigsburg - Da flitzen die Geigenbögen, da sausen die Läufe, da rattern kämpferische Tremoli: Don Quichotte reitet seinen Angriff auf die Windmühlen, Georg Philipp Telemann liefert den Soundtrack dazu, die Berliner Akademie für Alte Musik legt sich in grotesker Vehemenz ins Zeug. Tja, rückblickend färbt dieses Ludwigsburger Don-Quichotte-Festspielkonzert im Ordenssaal eine äußerst bittere Ironie. Denn tags darauf, beim Schlusskonzert, musste in einem ganz unlustig übertragenen Sinn gegen Windmühlen geritten werden. Die Bombendrohung eines Wichtigtuers entpuppte sich als Windei, das Konzert hat sie trotzdem sabotiert (siehe Artikel unten).

Wie auch immer: Don Quichotte, der eingebildete Ritter des Miguel de Cervantes, schrammt in seinem Wahn tatsächlich stets an der Selbst- und Fremdgefährdung entlang. In seiner Verblendung eine Figur immerwährender Aktualität, verstand ihn das aufgeklärte 18. Jahrhundert als tragikomische Gestalt unaufgeklärter Illusionen: lächerlich und traurig zugleich, nicht ohne die Würde des unbeirrt Irrenden. Solche Charaktermixtur tönt denn auch aus den ihm gewidmeten Musiken jener Zeit. Die Ouvertüre aus Joseph Bodin de Boismortiers Don-Quichotte-Ballett zeichnet ihn mit quirlig-kämpferischen Zügen, von der Berliner Akademie mit ganz unakademischer, sicht- und hörbarer Musizierlust ausgestanzt. Die Chaconne desselben Werks mischt dann in galante Noblesse und fein schattierendes Pastell durchaus auch Momente einer linkischen Eleganz. Hübsch, aber etwas unverbindlich die kurzen Instrumentalsätzlein aus Francesco Bartolomeo Contis Don-Quichotte-Oper, fulminant hingegen Telemanns „Bourlesque“, eine Suite über den Ritter von der traurigen Gestalt. Die Berliner Akademiker schärften die Slapstick-Kapriolen in der Ouvertüre, zeichneten in plastischer Agogik ein Klangbild des armen, in die Luft geschleuderten Sancho Pansa, ließen das Ross Rosinante munter galoppieren und Sanchos Esel störrisch hinterherstraucheln - eine grandiose Folge musikalischer Charakterszenen. Nur die rahmenden Sätze vom Erwachen und Einschlafen des Helden, den Telemanns manischer Rhythmus auch im Schlummer als einen Getriebenen zeigt, wurden dem Klangeffekt geopfert. In der zweiten Telemann-Suite „La Bizarre“ bewiesen die Musiker dagegen ihren interpretatorischen Scharfsinn: Die finale Nachtigallen-Imitation deuteten sie als Spieluhr - eine witzige Pointe zur Nachahmungsästhetik des 18. Jahrhunderts, deren Naturbild hier bereits künstlich gefiltert erscheint.

Musikalische Kommiss-Parodie

Einbildungen anderer Art prägen Zelenkas „Hypocondrie“-Opus, wo das Wehleid des Hypochonders in chromatischer Pein und heuchlerischem Mitleid ausgekostet wurde. Ironische Donquichotterien wiederum sind auch ohne ausdrücklichen Bezug zum Helden aus Schmelzers „Fechtschule“, wo nach gockelhaftem Violin-Florettgefuchtel der Arzt kommt, ebenso herauszuhören wie aus Bibers berühmter Battalia. Aus dissonantem Gegröle, rasselndem Kontrabass-Trommeln und Kanonenschuss-Pizzicati machten die Berliner eine musikalische Kommiss-Parodie ersten Ranges. Umwerfend!