Von Rainer Kellmayer

Die russische Cellistin Anastasia Kobekina ist ein aufsteigender Stern am internationalen Streicherhimmel. Beim zweiten Esslinger Meisterkonzert stürmte die 22-Jährige im zitronengelb leuchtenden Abendkleid mit jugendlichem Elan auf die Bühne des Neckar Forums und spielte Peter I. Tschaikowskys „Variationen über ein Rokoko-Thema“ derart engagiert, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Schon bei der Vorstellung des Themas zauberte sie galante Töne aus ihrem kostbaren Guadagnini-Cello - spannungsvoll und im Klang vielfach schattiert. Das halsbrecherische Laufwerk der Variationen wurde mit lockeren Ritten über Saiten und Griffbrett gemeistert, sodass es fast mühelos wirkte. Doch gerade darin zeigte sich Kobekinas Meisterschaft: Das Schwere wurde mit Leichtigkeit serviert. Dabei nützte sie die klanglichen Möglichkeiten ihres Instruments voll aus, mal weich singend, dann wieder kratzbürstig streichend, immer jedoch auf nobler Tonspur. Hauchzarte Flageoletts waren ebenso wenig ein Problem wie das Durchschreiten der kompletten dynamischen Skala, vom leisesten Pianissimo bis zum dröhnenden Forte. Vollends begeisterte die Cellistin das Publikum mit den eingestreuten Kadenzen, in denen ihr ganzes Können aufblitzte, und mit der Schlussvariation, in der Brillanz pur Trumpf war. Viel Beifall im Neckar Forum für diese fantastische Leistung: Als Zugabe gab es das „Narrenschiff“, ein Werk für Violoncello solo, geschrieben von Kobekinas Vater Vladimir.

Zuverlässig assistiert wurde die Solistin vom Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag, eines 1988 aus Mitgliedern des Opernorchesters gegründeten Klangkörpers. Geleitet von Jakub Klecker, dem derzeitigen Chefdirigenten des Nationaltheaters Brünn, setzten die Instrumentalisten Ludwig van Beethovens siebte Sinfonie routiniert um. Beethoven ging in seiner A-Dur-Sinfonie neue Wege, die von seinen Zeitgenossen nicht immer verstanden wurden. In einer Rezension von 1827 in der Allgemeinen Musikzeitung aus Frankfurt liest man von einem „Quodlibet von tragischen, komischen, ernsten und trivialen Ideen“, die zusammenhangslos nebeneinander stünden und von einem „unmäßigen Lärm, der das Trommelfell fast sprengte“. Angesichts des stürmischen Charakters des Finalsatzes ging Carl Maria von Weber gar soweit, Beethoven als „reif fürs Irrenhaus“ zu bezeichnen. Jakob Klecker ließ im Neckar Forum der Musik zwar Ecken und Kanten, baute die Entwicklungen und Spannungsstränge jedoch logisch auf und sorgte für das Leuchten der Beethoven’schen Partitur im Spiel der Farben. So entstand eine kontrastreiche Wiedergabe zwischen rhythmisch bestimmten Passagen, nervigem Klang und dröhnender Emphase. Als Eingangsstück hatten die Prager Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 28 C-Dur KV 200 gewählt - eine nicht ganz unproblematische Entscheidung, denn trotz frischem Musiziergeist bewegte man sich nicht immer auf der Idealspur des Zusammenspiels. Dies zeigte sich insbesondere bei den heiklen, sehr transparenten Passagen der hohen Streicher: Hier ließ sich nichts zudecken, Laufwerk und Verzierungen legten jede kleinste Ungenauigkeit offen. Als Pluspunkte der in toto gelungenen Wiedergabe waren die sauber intonierten Bläsereinwürfe, der tänzerische Gestus des Menuetts und der mit Hornrufen garnierte schwungvolle Schlusssatz zu verzeichnen.