Glänzende Welten: Arbeiten des Künstlers Martin C. Herbst auf der art Karlsruhe. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Anika von Greve-Dierfeld

Karlsruhe -Gott sei Dank, wenigstens sitzen sie noch in einem Boot: Tiger und Bär, die berühmten Figuren aus Janoschs Buch „Oh, wie schön ist Panama“, sind wie immer die besten Freunde. Aber das Meer, auf dem sie fahren, ist aufgewühlt, die Wellen hoch, ein Schwimmer ist schon über Bord. „Oh Welt, es tobt die See“ heißt eine neue Radierung des Künstlers: Weltlage à la Janosch in einem Satz, schmerzhaft aktuell und wie immer auf den Punkt gebracht. Oh, die Zeiten sind wirklich schwierig, und die Welt ist ihr irritierender Schauplatz. Das zeigt die Kunstmesse art Karlsruhe von heute an in etablierten Positionen der Klassischen Moderne bis hin zu radikal zeitgenössischer Formensprache.

Die Künstlerin Marion Eichmann schneidet sich ihre Version zurecht, als Dingwelt aus Schnipseln mit Schere und Papier. Durch die Stücke, fein säuberlich übereinandergelegt, geschichtet, aneinandergeklebt, entstehen reliefartige Strukturen, die zu Bildern werden oder auch zu riesengroßen Dingen. Zu Waschmaschinen zum Beispiel, einem ganzen Waschsalon sogar. „Laundromat“ heißt ihre Anordnung von 40 Waschmaschinen auf einem der 19 Skulpturenplätze der art.

Extrovertierter Eskapismus

Der Besucher kann hindurchmarschieren und sich von Buntheit und filigraner Kunstfertigkeit mal eben überwältigen lassen. Gleichzeitig aber führt die dem Werk innewohnende Mühseligkeit monatelanger Feinstarbeit zu einer eigenartigen Spannung. Die Künstlerin schneidet und klebt buchstäblich nächtelang und bis die Hände fast blutig sind, so erklärt es ihr Galerist Werner Tammen. Ein extrovertierter Eskapismus.

Überhaupt scheint erst der Blick auf das ganz, ganz Kleine das Große zu ermöglichen, und das ist beruhigend und verstörend zugleich. Malte Masemann sucht sich Schwarzweiß-Fotos als Vorlage für seine großformatigen Gemälde etwa auf Flohmärkten zusammen, überträgt die Fotos Stück für Stück auf die Leinwand und verfremdet mit intensiven Farben das altmodische Motiv: Traditionelle Familienporträts von Vater, Mutter und Kindern, die allesamt starr in die Kamera schauen, bekommen mit stark farbigen blaugrünen Gewändern und knallpinken Kopfbedeckungen eine Popart-artige Anmutung.

Die scheinbare Rückwärtsgewandtheit der Motive wendet sich damit in ihr Gegenteil und richtet den Blick auf das, was immer wiederkehrt und deshalb aktuell ist. „Alte Fotos sagen viel über die heutige Zeit“, erklärt der Künstler selbst. „Das hat etwas Beängstigendes - und das gilt es zu untersuchen.“ Die Rebellen in Halle 2 der art sind schon ein wenig in die Jahre gekommen. „Moderne Klassik“ nennt art-Gründer Karl Ewald Schrade das: Kunst zwar von Zeitgenossen, die aber schon etabliert ist und längst ihren (mitunter teu ren) Platz im Kunstbetrieb gefunden hat. Die obszön glänzende „Balloon Venus“ des amerikanischen Künstlers Jeff Koons zum Beispiel ist zu sehen und der Zipfel des Ballons, natürlich, als Vulva zwischen den Beinen der üppigen rosa Dame platziert.

Auch die Schablonengraffiti des britischen Streetart-Künstlers Banksy fehlen nicht. Er aber wird auf der art gerechterweise überstrahlt von Werken des französischen Sprayers Blekle Rat: Der ist zwar weniger berühmt als Banksy. Er ist aber Pate, Urvater, Vorbild dieser Form von Graffitikunst, die Mauern, Wänden und Gebäuden oder eben auch einer Leinwand den leidenschaftlichen Stempel aufdrückte.

Fotomeister und Meisterfotos: Die gibt es in Halle 1 beispielsweise mit Edward Burtynsky. Der kanadische Fotograf, längst ein Superstar seiner Zunft, lichtet Umwelten so wunderschön ab, dass man ihre Verwüstung bestürzt meistens erst auf den zweiten Blick bemerkt. Einen übrigens scheint hier gar nichts zu stören: Donald Trump grinst auf einem Ölbild des deutschen Newcomers Holger Kurt Jäger als Pfeifenkopf gewohnt selbstgefällig vor sich hin. Als eine ironische Referenz an das berühmte Pfeifenbild von René Magritte nennt es sich „Ceci n‘est pas un meme“ - was so viel heißt wie: Das hier ist kein Scherz. Es ist bereits verkauft.

Öffnungszeiten: heute bis 18. Februar von 12 bis 20 Uhr, am 19. Februar von 11 bis 19 Uhr.

www.art-karlsruhe.de