Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Sie sind alte Bekannte im Stuttgarter BIX-Jazzclub: Das Quartett um den Saxophonisten Peter Lehel und den Kontrabassisten Mini Schulz begeht in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen, und zum Saisonstart im BIX gab es noch einen anderen runden Geburtstag zu feiern. Vor 90 Jahren wurde John Coltrane geboren, der trotz seines kurzen Lebens - er starb 1967 an einem Lebertumor - bis heute zu den stilprägenden Persönlichkeiten des Modern Jazz zählt. Mit seiner Hommage an „Trane“, wie er seit seinen ersten Auftritten mit dem Miles-Davis-Quintett auch genannt wurde, bot das Quartett einen interessanten Einblick in den Klangkosmos des genialen Jazzmusikers.

Im ersten Set hörte man einige von Coltranes progressiven Bop-Metamorphosen inspirierte Eigenkompositionen Lehels. „Bits of Blue“ zitiert die Tradition des Südstaaten-Blues, doch die fragmentarisierten melodischen Patterns eröffnen große Freiheitsräume der Improvisation, die von Lehel und dem Pianisten Ull Möck ausgiebig genutzt wurden. Der Schlagzeuger Dieter Schumacher sorgte mit hartem Beat für Spannung, die sich bei jedem von Möcks virtuosen Piano-Soli hitzig steigerte. Mini Schulz wechselte vom stetig groovenden Zupfbass bei manchen Intros und Balladen zum melodiös gestrichenen Kontrabass.

Mit „Heavy Rotation“ und seinem in sich kreisenden 13-taktigen Thema hatte das Konzert einen ersten Höhepunkt. „Here and Now“ über einem vom Piano trocken intonierten Riff entwickelte sich aus kurzen, explosiven Tenorsax-Phrasen zu furiosen Höhenflügen und dichten Klangflächen.

„Sheets of Sounds“ hat John Coltrane in den 50er-Jahren auf seinem Tenorsaxophon durch blitzschnell einander jagende Noten mit vielen Ober- und Untertönen kreiert. Auch Lehel nutzt diese Technik der Zersplitterung und Verschmelzung der Klänge. In Coltranes berühmter Suite „A Love Supreme“ von 1964 kommt eine fast prophetische, den Ritualen afrikanischer Stammeszeremonien nicht unähnliche Intensität des melodischen Ausdrucks hinzu, die sich schon zu Beginn ankündigt. Das Peter Lehel Quartett bot mit seiner fast halbstündigen Fassung weder Imitation noch Cover Version des Werks: Die notierten Strukturen blieben erhalten, doch gegenüber dem Original mit McCoy Tyner, Jimmy Garrison und Elvin Jones nutzten Ull Möck, Mini Schulz und Dieter Schumacher die Freiheit der Improvisation. Aus einem vom Kontrabass intonierten, vielfach wiederholten Bluesriff und den harten Offbeats des Pianos entwickelte sich eine von Tenor- und Sopransaxophon grandios angeführte Anverwandlung des musikalischen Materials. Die Teile „Resolution“, „Pursuance“ und „Psalm“ spiegelten die Kühnheit, Dynamik und weiträumige Phantasie in Coltranes Suite, freilich ohne dessen von ihm selbst verfasste Lyrics.

Und noch ein runder Geburtstag: Das BIX im Gustav-Siegle-Haus gibt es seit zehn Jahren. Ansporn für ein weiterhin facettenreiches Programm jeweils dienstags bis samstags, mit Top-Acts wie Bill Evans, Tia Fuller oder der Carl Verheyen Band bis November.