Von Thomas Krazeisen

Stuttgart - Wenn Peter Maffay von Tutzing nach Stuttgart fährt, um ein neues Projekt vorzustellen, nimmt er schon mal seinen Zuffenhausener Sportwagen. Am Wochenende war der Rock-Star in der schwäbischen Autobauer-Hauptstadt vergleichsweise gemütlich unterwegs: In einem offenen Mini-Beetle im Marienkäfer-Look chauffierte der „Tabaluga“-Vater sein Rockmärchen-Ziehkind über eine Rampe durch die Schleyer-Halle. Mit nicht weniger als fünf Konzerten in drei Tagen feierte der Grünländer ein umjubeltes Comeback in Stuttgart - am Freitagabend startete das dreitägige „Tabaluga“-Familienfest. Am Ende waren es rund 35000 kleine und große Teilnehmer; alle Konzerte in der Schleyer-Halle waren so gut wie ausverkauft.

Der grüne Drache war eigentlich schon im wohlverdienten Ruhestand. Immerhin 33 Jahre lang haben er und seine Mitstreiter um Rock-Ikone Peter Maffay gearbeitet - daran, dass diese Welt ein bisschen menschlicher wird. Tabaluga stand ein für Werte wie Toleranz, Respekt, Solidarität und Mitgefühl. 2012, nach dem fünften Album und der dritten Tournee, schien seine Mission erfüllt. Mit „Tabaluga und die Zeichen der Zeit“ sollte eigentlich der Grünländer in Rente geschickt werden. „Alles im Leben hat seine Zeit“, heißt es da schließlich. Doch weil es um die Zukunft von Maffays großem Stiftungs-Lebenswerk für traumatisierte Kinder geht, hat Alt-Rocker Maffay bereits verkaufte „Tabaluga“-Rechte zurückerworben und für die Einspielung des inzwischen sechsten Albums befreundete Musiker zusammengetrommelt. „Es lebe die Freundschaft!“ lautet passenderweise der Titel, und dem Motto gemäß haben sich Maffays Musikfreunde ohne Gage in den Dienst der guten Sache gestellt.

Laith Al-Deen als Gastmusiker

Einige von ihnen sind wiederum jetzt auf der Tour dabei. In Stuttgart zum Beispiel Laith Al-Deen, der in Karlsruhe geborene und in Mannheim lebende Musiker und Produzent. An der Seite von Peter Maffay und drei seiner Gitarristen singt er unter anderem bei „Dafür sind Freunde da“ mit. Für das aktuelle „Tabaluga“-Album wurden neben neuen Titeln, darunter wieder einige wunderbare Pop-Balladen, auch Songs von den vorherigen Platten neu arrangiert. Die sechste Auflage des Musicals ist nicht nur ein bunter Stilmix aus Rock, Pop, Reggae, HipHop, Funk und orientalischen Melismen, sondern obendrein auch ein Best-of-Album.

In der jüngsten Folge der Tabaluga-Story will der diktatorische Schneemann den kleinen Grünland-Drachen wieder einmal kaltstellen. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Unter den über ihn hereinbrechenden Schnee- und Eismassen verliert Tabaluga Orientierung und Gedächtnis. Ein Glückskäfer, wieder sympathisch gespielt von Rufus Beck, hilft ihm, Stück für Stück seine verschüttete Vergangenheit und damit seine Identität wiederzufinden. Und zugleich lassen sich so auch ältere Hits an die neue Story andocken.

Schon optisch bietet dieses Rockmärchen großes Kino. Maffay und seine Musiker sitzen unter einer Brücke vor einer riesigen LED-Wand, die über die komplette Breitseite der Schleyer-Halle gebaut ist. Darauf wird die Geschichte von Tabalugas Rettung aus den Fängen seines alten Erzfeindes Arktos, des Herrschers der Eiswelt, im XXL-Format bebildert. Auf seiner Reise durch Raum und Zeit, bei der Tabaluga natürlich auch wieder auf die zauberhafte Arktos-Tochter Lilli trifft, sehen wir auf der Bühnenleinwand einen Hagelsturm über das blühende Grünland hereinbrechen, befinden uns mal auf dem Meeresboden, dort, wo alles Leben ewig schweigt, wie es im Nessaja-Hit heißt; mal in einem orientalischen Palast, dann in einer Halle voller Kristalle und Eis, im dramatischen Feuer-Finale schließlich vor einem Lava spuckenden Vulkan.

Der ist nicht nur eine Gefahr für Tabalugas schönes Grünland, sondern auch für Arktos, dessen Eisreich zusammenzuschmilzen droht. Entweder alle gehen unter oder sie raufen sich zusammen und überleben gemeinsam. Und so gibt es in der Schleyer-Halle ein Happy End mit Schneekanonen-Donner, als Arktos seine frostige Armee zum Vulkanlöschen einsetzt und vom Gegenspieler zum Partner des grünen Drachen wird. Feuer und Eis, Leidenschaft und Vernunft können einander wunderbar ergänzen und Gegensätze immer überwunden werden, lautet die Botschaft gegen alle pessimistische Schwarzweißmalerei. Im poetischen Piano-Duett der entsprechend gekleideten Zylinderträger („Zwischen den Welten“) wird das auch optisch eindrücklich beglaubigt.

Opulent inszeniertes Rockmärchen

Rund zweieinhalb Stunden dauert dieses opulent inszenierte Rockmärchen, bei dem sich neben Maffay vor allem Linda Teodosiu als Lilli sängerisch auszeichnen kann - nicht zuletzt im Duett „Ich fühl‘ wie Du“. Alex Wesselsky gibt mit Power den grimmigen Eis-General, Heinz Hoenig seinen Chef Arktos. Und mit Uwe Ochsenknecht ist die Rolle der Kameliendame mit einem weiteren prominenten Gast besetzt.

Die vierte Bühnenauflage ist die aufwendigste „Tabaluga“-Produktion: Mehr als 180 Mitarbeiter vor und hinter den Kulissen sind an ihr beteiligt, Dutzende von ihnen wirbeln in fantasievollen Kostümen durch die Halle - als Ameisen, Bienen, Hasen (am Grünland-Wasen grasen die natürlich in VfB-Trikots), Oktopusse, Quallen, Schnecken oder Schweine mitsamt Schubkarren auf blinkenden Rollschuhen. Es ist eine buntes Spektakel mit Künstlern zum Anfassen. Die Bühne ist über einen Steg weit ins Parkett der Schleyer-Halle hineingezogen und über die befahrbaren Rampen mit weiteren Bühnen verbunden.

Speziell für Peter Maffay ist die Show auch eine sportliche Herausforderung. Kaum taucht er in der Hallenmitte aus dem Bühnenboden auf, spurtet er auch schon wieder zum nächsten Kostümwechsel auf die Hauptbühne zurück. Bei der obligatorischen Zugabe „Ich wollte nie erwachsen sein“ schlagen nicht nur erwachsene Zuhörerherzen höher - es schlägt auch die Stunde der Kids, die zu Märchen-Onkel Peter auf die Bühne klettern dürfen.