Von Wolfgang Jung

Stuttgart - Wer Kunst wortwörtlich begreifen will, ist bei Eckart Köhne richtig. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes will Objekte aus der Vitrine nehmen und Besuchern in die Hand geben. „Ob eine leichte Keramik oder ein schwerer Stein: Ich halte es für wichtig, bestimmte Dinge anzufassen“, sagt der Direktor des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. Mit dem „Kunst-Griff“ will Köhne vor allem eines: Menschen anlocken und einbinden. Sein Credo: Museumsbesucher zu Nutzern machen. „Vielleicht verkaufen wir keine Eintrittskarten mehr, sondern geben Nutzerausweise aus. Man muss es wagen“, sagt er.

Objekte anfassen, Kunstwerke digitalisieren, nächtliche Führungen: Mit Kreativität werben die Kulturhäuser in Baden-Württemberg um Besucher. „Das Museum muss ein Ort der Begegnung bleiben“, sagt Stefanie Dathe, Direktorin in Ulm. Der Adressat des Angebots habe sich in den vergangenen Jahren aber verändert. „Es gibt in einer globalisierten Welt nicht mehr die eine Öffentlichkeit, sondern viele Öffentlichkeiten mit unterschiedlichem Charakter“, meint Dathe. „Diesen Veränderungen müssen und können wir uns stellen.“

Staatliche Förderung stabil

Rund 1300 Museen sind derzeit in Baden-Württemberg aktiv - nur in Bayern (über 1350) sind es mehr. Die staatliche Förderung sei zwar stabil geblieben, trotzdem sei die Lage für manches Haus heikel, sagt Axel Burkarth von der Landesstelle für Museumsbetreuung. „Museen sind momentan vielleicht nicht der große Knaller in der allgemeinen Wahrnehmung, aber ich warne vor Schnellschüssen“, meint er. Statt zu teuren Sonderausstellungen rät Burkarth den Museen, sich stärker auf den vorhandenen Bestand zu besinnen. Manchmal liegt der erhoffte Besuchermagnet längst im Keller. „Aus meiner Sicht sind die Depots etwas vernachlässigt worden“, sagt der Leiter der Landesstelle.

Burkarth sieht aktuell mehrere spannende Projekte im Land. „Zum Beispiel erlebt das Museum in Ulm mit der neuen Direktorin Stefanie Dathe eine interessante Entwicklung. Auch das Kunstmuseum in Ravensburg hat sich in relativ kurzer Zeit gut etabliert“, meint er.

In der Kreisstadt unweit des Bodensees dürfte Direktorin Nicole Fritz das Lob gerne hören. „Wir haben jetzt im vierten Jahr fast so viele Besucher wie im Eröffnungsjahr: mehr als 40 000. Das ist in einer Stadt mit 50 000 Einwohnern ziemlich viel“, sagt die Chefin des Kunstmuseums. Ein Grund für die Akzeptanz sei, dass das Museum die Bevölkerung von Beginn an beteiligt habe. „Wir müssen das Kunstmuseum als Institution nicht neu erfinden, aber wir müssen das Potenzial von Kunst mehr herausstellen“, sagt Fritz.

Ihr Wunsch: engere Zusammenarbeit. „Ich würde mir beispielsweise eine Biennale für Oberschwaben wünschen - wie die Quadriennale in Düsseldorf, bei der die großen Museen ihre Ausstellungen nach einem gemeinsamen Thema ausrichten“, betont die Direktorin. Leider fehle oft die Zeit, solche Kooperationen auf die Beine zu stellen.

Doch auch ohne Biennale für Oberschwaben ist viel in Bewegung. So steht zum Beispiel das Linden-Museum in Stuttgart vermutlich vor der Erweiterung. Mehr Raum erhalten wohl auch die Reiss-Engelhorn-Museen (REM) in Mannheim, eine großzügige Mäzenin soll dies möglich machen. Schon in diesem April bieten die REM die Kinder-Mitmach-Ausstellung „Total genial! Coole Er findungen vom Faustkeil bis zur Jeans“ an.

Ebenfalls in Mannheim läuft die Erweiterung der Kunsthalle auf Hochtouren. Handwerker ziehen am Wahrzeichen der Industriestadt am Rhein, dem historischen Wasserturm, einen spektakulären Neubau hoch. Rund 68,3 Millionen Euro kostet das Projekt - Kritiker sind skeptisch, ob sich das moderne Gebäude harmonisch in das Ensemble fügt. Direktorin Ulrike Lorenz verteidigt den kühnen Entwurf. „Unser Neubau ist kein Wolkenkuckucksheim“, sagt die seit 2009 in Mannheim tätige Kunsthistorikerin. Es gehe um „ein wahnsinnig lebendiges architektonisches Haus“ und einen Entwurf in die Zukunft. Lorenz plant eine Digitalisierung des Bestands. „Kein Smartphone kann die Begegnung mit dem Originalkunstwerk ersetzen, aber das Publikum kann sich etwa seinen Katalog oder seine Führung selbst zusammenstellen“, erzählt die im thüringischen Gera geborene Direktorin. Die Kunsthalle wolle „kein verstaubter Laden“ sein. „Museen müssen sich verändern, wenn sie überleben wollen“, sagt Lorenz - und fasst damit die Lage im Land zusammen.