Elisa Badenes als Kitri und Adhonay Soares da Silva als Basilio. Foto: Stuttgarter Ballett Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart - Geht irgendwer wegen der Pantomimen in „Don Quijote“? Der fröhliche alte Klassiker ist das Virtuosenballett par excellence, man will den rasanten Tanz der jungen Liebenden sehen, ihre tollen Tricks und Sprünge. Bisher hatten nur wenige Neuinszenierungen den Mut, den drögen Prolog über den Aufbruch des fahrenden Ritters, der hier zur Nebenfigur degradiert wird, oder die unendlichen Pantomimen einfach wegzulassen. Maximiliano Guerra hatte ihn nicht. Die Wiederaufnahme seiner choreografisch fest an der überlieferten Version Marius Petipas orientierten Inszenierung aus dem Jahr 2000 startet noch ein wenig schwerfällig durch. Zum Glück kann man sich beim Stuttgarter Ballett darauf verlassen, dass Drive und Timing nach ein paar Vorstellungen perfekt hinhauen werden. Oder immerhin perfekter. Im Opernhaus erweist sich Ramon B. Ivars‘ neue Ausstattung von 2012 mit zunehmender Betrachtung als arg düster, was für die geträumte Windmühlenszene oder die nächtliche Romanze der Liebenden noch sehr gut passen mag. Der Dorfplatz allerdings sollte in der hellen spanischen Sonne strahlen, hier aber erdrückt ihn fast der rückwärtige Prospekt, der wie eine ägyptische Grabwand anmutet. Die Projektionen mit den herabpurzelnden Buchstaben im Traum des Cervantes irritieren immer noch. Was soll’s, die Kostüme sind schön bunt und die Stimmung auf der Bühne ausgelassen.

Mit Elisa Badenes als raffinierter Wirtstochter Kitri hat man ohnehin die halbe Miete - die hinreißende Spanierin ist noch besser als bei der letzten Serie, sie tupft ihre zahllosen Variationen quasi nur noch auf den Boden, schnellt übermütig in die Lüfte und amüsiert sich köstlich über die Verheiratungsversuche ihres Vaters. An ihrer Seite debütiert mit dem Brasilianer Adhonay Soares da Silva ein blutjunger Frischling aus dem Corps de ballet, der tief in die Trickkiste greift: So dreht er wirklich unfassbar lange oder beendet Pirouetten auf einem Bein in Balance, er springt virtuos, aber nicht außergewöhnlich hoch. 2013 gewann das Riesentalent den renommierten Prix de Lausanne und wählte für sein gewonnenes Stipendium nicht die Londoner Royal Ballet School, sondern die John-Cranko-Schule, vor 18 Monaten kam er von dort in die Kompanie.

Was ihm noch fehlt, ist Charme (den der vorgesehene, leider verletzte Pablo von Sternenfels ja in rauen Mengen besitzt): Da knistert nichts zwischen Basilio und Kitri, da schmelzen keine Herzen beim nächtlichen Liebes-Pas-de-deux, da funkelt nur ganz selten der Schalk in den Augen. Nun darf man von jemand, der mit unglaublichen 19 Jahren eine solche Hauptrolle auf die Bühne zaubert, nicht das Komplettpaket erwarten, aber auch sein Lucentio in Crankos „Zähmung“ hat nach mehreren Auftritten nicht an Spontaneität gewonnen; es bleibt abzuwarten, ob aus da Silva einer der dramatischen Tänzer wird, auf die das Stuttgarter Ballett so stolz ist. Vielleicht fehlen ihm nur ein, zwei Jahre Erfahrung. Die langbeinige Ami Morita glänzt als Straßentänzerin und als Dryadenkönigin mit der akademischen Eleganz einer Pariser Ballerina, David Moore überrascht als Torero mit untadelig spanischer Haltung und perfekten musikalischen Akzenten. Filigraner kann man sich die Variationen von Agnes Su und Angelina Zuccarini im finalen Grand Pas de deux vorstellen. Roman Novitzky gibt dem abgelehnten Galan jedwede notwendige Peinlichkeit mit, Louis Stiens holt selbst aus der tumben Rolle des Sancho Pansa noch Lacher raus und Ballettmeister Rolando D’Alesio spielt Kitris Vater so liebenswert, dass die winzige Rolle heraussticht - sie alle bemühen sich wirklich von Herzen, die traditionellen Pantomimen originell zu beleben. Als Toreros, stolze Spanierinnen, Dorfjugend oder geträumte Nymphen liefert das Corps de ballet ein großes Versprechen auf die nächsten Vorstellungen. Die letzten Klassiker-Wiederaufnahmen beim Stuttgarter Ballett waren derart perfekt, vielleicht sind wir einfach zu verwöhnt.

Weitere Aufführungen: 23., 26., 30., 31.12 und 3.1., wieder im Mai.