Von Ingo Weiß

Stuttgart - So kannte man Status Quo: Rick Parfitt mit seinen harten, markanten Riffs auf der Rhythmusgitarre, neben ihm Leadgitarrist Francis Rossi. Breitbeinig standen die beiden ewigen Bandzwillinge an der Bühnenrampe, hauten synchron in die Saiten und gaben so das Paradebild einer Rockformation ab. Seit den 70er-Jahren waren die Urgesteine ein unschlagbares, sich blind verstehendes Gespann, das mit Boogie-Rock um sich warf wie die Muppet-Show-Quälgeister Statler und Waldorf mit ihren sarkastischen Bemerkungen. Dieses Bild gibt es (auch) in der Stuttgarter Porsche-Arena nicht, wird es wohl nie mehr geben. Parfitt erlitt im Juni nach einem Konzert in der Türkei einen Herzinfarkt. Für einige Minuten war der 67-Jährige klinisch tot, konnte jedoch reanimiert werden. Derzeit durchläuft Parfitt die Reha, aber er ist noch immer nicht wohlauf. Rossi ist nunmehr das letzte Gründungsmitglied, das die Quo-Fahne hochhält.

Dass es irgendwann soweit kommen würde, hatte sich abgezeichnet. Rick war stets der wilde Mann des Rock’n’Roll, der dem Sensenmann schon mehrmals von der Schippe gesprungen war. Auch deshalb hatte die Band schon im Frühjahr die „Last Night of the Electrics“ angekündigt. Status Quo zum letzten Male elektrifiziert - und danach die Telecaster für immer in die Ecke stellen. Zu sehr schmerzen die Shows mittlerweile körperlich.

In den Jungbrunnen gefallen

Jetzt steht der junge Ire Richie-Paddy Malone neben Rossi. Noch recht unauffällig, noch nicht im Rampenlicht. Von der Ausstrahlung her kann er Parfitt natürlich nicht das Wasser reichen, rein instrumental aber ersetzt er ihn mit seinen Power-Chords mühelos. Rossi hält zu Recht große Stücke auf ihn. Mit dem 29-Jährigen klingen Quo frischer, härter, schneller und scharfkantiger als zuletzt, noch eine Spur überdrehter. Boogie-Metal statt Boogie-Rock ist angesagt. Die Gitarren werden unter Strom gesetzt wie nie. Rossi peitscht die Band erbarmungsloser denn je durchs bekannte Repertoire, sie scheint sich beim Spielen fast selbst zu überholen. Fast scheint es, als ob Rossi selbst in einen Jungbrunnen gefallen wäre. Tatsächlich dürfte es ein allerletztes Aufbäumen sein.

Wie gewohnt eröffnen Quo den kurzweiligen Abend im rotierenden Scheinwerferlicht mit dem mehr als 40 Jahre alten Partykracher „Caroline“. Das Dion-Cover „The Wanderer“ donnert gleich als zweites Stück mit stürmischer Wucht durch die gut besuchte Arena. Der ureigene, eingängige, von Blues und Boogie durchtränkte Rock’n’Roll macht von der ersten Minute an Laune. Selbst eine Leichtigkeit wie „Something ‘bout you Baby I like“ bekommt in dieser neuen Konstellation gusseiserne Ecken. „Rain“ dröhnt auf Rossis neuer, knallgrüner Telecaster metallisch wie nie. Eindreiviertel Stunden lang überrollt eine Hit-Lawine die 4500 Fans. Drei Akkorde für ein Halleluja. Klassiker wie „Paper Plane“ oder „Roll over lay down“ werden einzeln ausgereizt, andere wie „What you’re proposin’“, „Down the Dustpipe“ oder „Again and again“ in einem Medley zusammengemixt. Das Motto bleibt dasselbe: Whatever you want, whatever we like - Quo spielen es. Selten so energiegeladen, aber wie seit ihrem Debüt 1967 stets zuverlässig und beständig. Wer sich zu Status Quo bekennt, will keine Experimente, sondern geradlinigen Rock. Hart, schnell und laut. Natürlich spielen Status Quo auch das so unvermeidliche wie unverwüstliche Bolland-&-Bolland-Desaster „In the Army now“, gefolgt von einem ebenso überflüssigen Schlagzeug-Solo. Aber das verzeiht man ihnen genauso wie das schwachbrüstige „Gerdundula“, es ist schließlich das letzte Mal „elektrisch“. Dafür entschädigen das keltisch angehauchte „Hold you back“, das wie Riverdance auf Speed klingt, sowie das superbe „The Oriental“, bei dem Rossi kaum zu bremsen ist, doppelt.

Spaß mit minimalen Mitteln

Mehr denn je steht der feingliedrige 68-Jährige in seiner typischen schwarzen Hose, weißem Hemd, dunkler Anzugsweste und weißen Sneakern auf der Kommandobrücke der britischen Rock-Fregatte. Seine herrlich selbstironische Redseligkeit war immer schon ein Gradmesser für die Unterhaltsamkeit und Qualität eines Quo-Konzerts. Spricht Herr Rossi viel mit und zum Publikum, ist es eine starke Show. An diesem Abend frotzelt Rossi sehr viel, allerdings verliert er kein einziges Wort über Parfitt, was auch vielsagend ist. Dafür interpretiert er Parfitts Intro zu „Down Down“ völlig neu und gibt dem Song eine bestechende Kraft. Ricks Gesangparts übernehmen der vielseitige Keyboarder Andrew Bown (70) und der stark präsente Bassist John „Rhino“ Edwards (63), allerdings stellenweise mehr schlecht als recht. Mit extrem hoher Präzision, schneidender Schärfe und ungemeiner Spielfreude entfesseln Quo ihr Gitarrengewitter. Sie bleiben Working-Class-Heros, die ihren Rock noch erarbeiten, aber mit musikalisch einfachen Mitteln maximalen Spaß erzielen. Der Schluss ist schnell erzählt. Das John Fogerty-Cover „Rockin’ all over the world“, längst berühmter als das Original, beendet das Set. „Burning Bridges“ mit seinen karnevalesken Passagen hebt sich die Band für die Zugaben auf. Mit dem Chuck Berry-Klassiker „Rock’n’Roll Music/Bye Bye Johnny“ verbeugt sich das Quintett. Bye, bye, Quo. Und jetzt? Die Party ist noch nicht vorüber, wie es in einem Status Quo-Titel heißt. Man sieht sich wieder, „see you the acoustic way“. Quo will ruhiger zurückkehren, mit Akustikgitarren. Nach diesem fantastischen Auftritt ist das eine grausame Vorstellung.