Der Esslinger Kammerchor überzeugt am Totensonntag in der Mettinger Pfarrkirche - sowohl die gesamte Einheit als auch die Solisten. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Rainer Kellmayer

Das 1868 in Bremen uraufgeführte „Deutsche Requiem“ hat für Johannes Brahms das Tor zum Ruhm aufgestoßen, ihn gleichwertig neben Komponistengrößen seiner Zeit wie Richard Wagner und Franz Liszt gestellt. Am Totensonntag erklang dieses Gipfelwerk sakraler Musik in der Mettinger Pfarrkirche St. Maria, eindrucksvoll aufgeführt durch den Esslinger Kammerchor ExVocal.

Brahms hat keine Totenmesse im üblichen Sinn geschrieben, sondern das Libretto selbst aus biblischen Texten zusammengestellt: Nicht für die Toten, sondern als Trost für die Lebenden. Die Folge der Bilder reicht von der Darstellung von Schrecken, Tod und Jüngstem Gericht bis zum tröstenden Versprechen eines Wiedersehens im Jenseits. Brahms ging neue Wege, verarbeitete Traditionen aus Barock und Wiener Klassik. Er brachte Motettenkunst ebenso ein wie kontrapunktische Elemente, sorgte jedoch bereits für jene motivisch-thematische Integration, die seine späteren großen Orchester- und Kammermusikwerke auszeichnen sollte. Die Tiefe der Musik begeisterte nicht nur das Publikum, sondern auch die Rezensenten. Nach der Uraufführung schrieb der berühmte Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick: „Seit Bachs h-Moll-Messe und Beethovens Missa Solemnis ist nichts geschrieben worden, das sich auf diesem Gebiet neben Brahms‘ Deutsches Requiem zu stellen vermag.“

In schwebender, kristalliner Reinheit entfaltete sich das eröffnende „Selig sind, die da Leid tragen“ im Kirchenraum - in herrlichem Pianissimo angelegt und von einer ungeheuren Spannung getragen. Auch wenn sich dynamische Wogen erhoben oder die Melodielinien höhere Sphären erreichten, gab es weder Forcieren noch ein Hochdrücken der Töne.

Detailgenaue Vorbereitung

Die fahle Färbung von „Denn alles Fleisch“ sorgte für eine bedrückende Atmosphäre, „So sei nun geduldig“ pulsierte, und auch bei der in vollem Forte gesungenen Unisono-Wiederholung der Eingangsstrophe blieb der Chorklang stets transparent - als Zeichen der detailgenauen Vorbereitung durch Tobias Meyer. Allerdings verzichtete Meyer auf ein groß besetztes Orchester, überließ den Instrumentalpart dem souverän agierenden Pianisten Martin Vorreiter. Diese Reduzierung der Mittel rückte zwar den Chor ins Zentrum, ließ jedoch Brahms‘ herrliche Instrumentalfarben vermissen. Der Chor nutzte seine Freiräume, fand nach der nicht ganz transparenten Fuge „Nun Herr, wes soll mich trösten?“ in „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ wieder zu homogenem Miteinander. Spannendes „sotto voce“ prägte „Denn wir haben keine bleibende Stadt“, und im dynamisch fein gestuften Schlusssatz „Selig sind die Toten“ erklangen versöhnliche Töne in betörend schönem Pianissimo.

Neben dieser herausragenden Chorleistung präsentierten sich die Vokalsolisten in unterschiedlicher Tagesform. Der Bariton Jens Hamann sang seinen Part mit einer in der Mittellage voluminösem, in der Höhe jedoch etwas angestrengten Stimme. Der metallisch grundierte Sopran von Julie Erhart zog in „Ihr habt nun Traurigkeit“ hell strahlende Melodielinien, die die Zuhörer im Innersten berührten.