Ironische Selbstinszenierung: Komponistin Jagoda Szmytka. Foto: J. Palmer Quelle: Unbekannt

Von Martin Mezger

Stuttgart - Was wird ihr nicht alles nachgesagt, der sogenannten Generation Y, also den 1980 bis zur Jahrtausendwende Geborenen: Spaßorientiert seien sie, improvisatorisch und volatil wie ihre durch digitale Medien geprägte Lebenswelt; „Egotaktiker“ aus behüteten Verhältnissen, aber verunsichert durch die Erschütterungen des 21. Jahrhunderts, vom Terror bis zur Finanzkrise. Wenn das Stuttgarter Eclat-Festival für Neue Musik, das vom 2. bis 5. Februar im Theaterhaus stattfindet, in diesem Jahr Komponistinnen und Komponisten dieser Jahrgänge in den Mittelpunkt rückt, treten bei aller Fragwürdigkeit solcher Generationenpauschalen denn doch einige Gemeinsamkeiten in den Blick. An erster Stelle: Die Dominanz avantgardistischer Männerrunden ist passé. Ein Großteil der bei Eclat aufgeführten 30 Werke, darunter 25 Uraufführungen, stammt von Frauen.

Frage nach dem Warum

Und selbstverständlich spricht die künstlerische Generation Y das Buchstabenkürzel englisch aus: why - als Frage nach dem Warum des menschlichen Seins. Sinn und Sinnlichkeit der „physischen, also analogen Existenz“, so Christine Fischer, Chefin der Eclat-Veranstaltungsorganisation Musik der Jahrhunderte, reiben sich am Virtuellen. Die Konfrontation von Live-Situationen und allerlei Elektronik ist dafür ein Beleg. Jagoda Szmytkas „DIY or DIE“ (erstere Abkürzung meint „do it yourself“) steht zudem für die kokettierende, ironisierende Selbstinszenierung im Bann eines scheinbar hemmungslosen Kreativitätshypes: eine musikalische Revue, die sich keinen Deut mehr schert um Avantgarde-Dogmen, ein offener Grenzverkehr der Stile und Genres - auch dies ein Y-Merkmal auf dem Generationsgen. Ebenso die Musiktheatralik, die etliche Werke kennzeichnet: der freie Übergriff ins Visuelle, der sich nicht mehr zwingend einer erzählerischen Logik fügt. Kontrapunktisch auf Szmytkas Stück bezogen stürmt Gerhild Steinbuchs Live-Hörspiel „friendly fire“ das Deep Web, die teils kriminellen Dunkelzonen des Internet. Clara Maïdas hoch komplexe „Lostery“ spürt ökonomischen und sozialen Krisen nach, ebenso politisch der Anspruch von Steven Takasugis „Sideshow“, die ausgehend von menschlichen Abnormitätenshows in Vergnügungsparks des frühen 20. Jahrhunderts Kritik an Normzwängen und Ausgrenzung übt.

Neben politisch und zeitkritisch aufgeladenen Multimedia-Kompositionen gibt es freilich auch pure Musik, zum Beispiel mit den Werken der Stuttgarter Kompositionspreisträger Yair Klartag und Ricardo Eizirik. Das SWR Vokalensemble steuert auch Werke älterer Komponisten bei, etwa eine Uraufführung des 1939 geborenen Nikolaus A. Huber. Und im Abschlusskonzert mit dem SWR Symphonieorchester kommt die längst arrivierte Lehrergeneration der Y-Künstler zu Ton: Richard Barrett mit einer auf David Bowies Tod bezogenen Uraufführung, außerdem Musik von Johannes Schöllhorn und Klaus Ospald.

Karten unter Tel. 0711/40 20 720 oder unter tickets@theaterhaus.com.

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