Der Mann mit dem Hut ist das Herz einer Combo mit tollem Sound: Carlos Santana beim grandiosen Auftritt in Stuttgart. Foto: Pfisterer Quelle: Unbekannt

Von Thomas Staiber

Stuttgart -20 Jahre nach ihrem letzten Auftritt im Beethovensaal der Liederhalle und vier Tage vor ihrem 69. Geburtstag beehrt die Latin-Rock-Legende das große Stuttgarter Sommerjazzfestival ein zweites Mal. Inzwischen wird der Schlossplatz bespielt, und mehr als 6000 Besucher - von den zahlreichen Ohrenzeugen auf dem Rasen vor den Absperrungen ganz zu schweigen - können ein überwältigendes Konzert erleben.

Von Jazzorganist Dr. Lonnie Smith eingestimmt, wartet das Publikum gespannt auf „einen der besten Gitarristen aller Zeiten“ (Programmheft), auf den in Mexiko geborenen Carlos Santana. Ein Name wie Musik. Mit seiner neunköpfigen Band versetzt er die Menschen vom ersten Takt an in Partystimmung. Songtitel wie „Love Makes The World Go Round“, „Love, Peace And Happiness“ und „Shine“ geben die inhaltliche Richtung vor, Hits wie „Maria Maria“, „Jingo“ oder „Black Magic Woman“ machen aus dem Ehrenhof des Neuen Schlosses eine riesige Tanzfläche. Die Menschen bewegen sich zu den Rhythmen von Salsa, Soul und Cha-Cha-Cha. Da, wo es eng ist, wiegen sie sich in den Hüften, am Rand aber wird ausgelassen getanzt.

Auf zwei großen Leinwänden wird zuerst ein Video von fröhlichen Hippies gezeigt, die Schlitterpartien im Matsch veranstalten. 1969 startete Carlos Santana in Woodstock mit einem legendären Auftritt seine Weltkarriere. Nun steht er auf der Bühne in Stuttgart und spielt mit seiner Golden Top von Gitarrenbauer Les Paul ein glänzendes Solo nach dem anderen. Und alle spüren: Dieser Latin Rock hat seit beinahe 50 Jahren nichts von seiner Frische und Kraft verloren. Begleiten lässt sich Santana von einer achtköpfigen Band, die ausgesprochen druckvoll zu Werke geht, deren Härte aber nie brutal ist. Denn damit hat „ Gitarrengott“ Santana nichts am Hut. Er liebt es vielmehr geschmeidig und „Smooth“, wie ein berühmter Titel aus seinem Album „Supernatural“ von 1999 heißt, für das er acht Grammys erhielt. Das hatte vor ihm nur Michael Jackson mit „Thriller“ geschafft. Zwei muskulöse Männer, die sich vorne am Bühnenrand bewegen, singen unisono oder zweistimmig die Lieder, während Santana meist weiter hinten in der Mitte steht: Er ist das Herz der Combo mit dem tollen Sound. Ein schlagfertiger Perkussionist und Cynthia Blackman am Drum-Set, die früher bei Lenny Kravitz virtuos getrommelt hat, geben den Takt vor. Seit sieben Jahren sind Cynthia und Carlos übrigens ein Paar. Ihr fulminantes Schlagzeugsolo wird vom Publikum bejubelt, und auch der Gatte klatscht mit. Während Keyboardklänge über den Platz schweben, die Orgel sinnlich seufzt und der E-Bass unentwegt marschiert, setzt Santana bei „Foo Foo“ oder „Europe“ zu unverwechselbaren Gitarrenläufe an, die geschmeidig dahingleiten, melodisch klingen und gespickt sind mit Zitaten aus Rock und Jazz.

Nicht erst bei „Evil Ways“ leuchten die Handys, weil viele Besucher diese besonderen musikalischen Momente festhalten möchten. Santana ruft ihnen zu, sie sollen ihre Frauen glücklich machen, „denn dann geht’s uns allen gut“. Santana verkündet mit Worten und dem Klang seiner Gitarre die Botschaft, dass Licht und Liebe stärker seien als Hass, Angst und Gewalt, „viel stärker als Hollywood, die CIA und der ganze Bull-Shit“. Solche Lebensweisheiten, die esoterisch anmuten könnten, werden respektvoll beklatscht. Ob sie auch befolgt werden, wissen wir nicht; jedenfalls herrscht eine ausgelassene Partystimmung, alle strahlen, und jeder freut sich, ein derart mitreißendes Konzert mit heißen Rhythmen, dem Trommelfeuer des Bongo-Manns, Welthits wie „Oye Como Va“ und die geradezu magischen Gitarrenklänge von Santana live zu erleben.

Auf dem Heimweg kann man beim Festival der Kulturen auf dem Marktplatz weiter gute Musik hören, und im Bix spielt der coole Jazztrompeter Christian Scott aus New York, der am Vorabend bei Cro mitgewirkt hat. Stuttgart vibriert in dieser lauen Samstagnacht vor lauter Musik. So haben wir das gern.