Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Wo in den Bachkantaten, die beim Musikfest unter dem Motto „Reichtum“ präsentiert werden, die nichtige Welt und ihr „eitler Mammon“ im Gegensatz zum gottesfürchtigen Leben und ewigen Seelenheil in barocker Bildhaftigkeit zur Sprache kommen, geschieht das bei Bertolt Brecht mit ironischer Dialektik. Von der „belebenden Wirkung des Geldes“ ist da in einem Song von Hanns Eisler die Rede, und die Hure Nanna seufzt: „Gott sei Dank, geht alles schnell vorüber, auch die Liebe und der Kummer sogar / Lust in Kleingeld zu verwandeln wird noch niemals leicht…“

Es war eine gute Idee der Bachakademie, als Kontrastprogramm die norwegische Sängerin Tora Augestad mit ihrem Ensemble Music for a while und Songs von Kurt Weills „Seeräuber Jenny“ und „Surabaya-Johnny“ bis zu Mischa Spolianskys „Alles Schwindel“ ins Theaterhaus einzuladen und die Zeit der sogenannten Golden Twenties musikalisch in Erinnerung zu rufen. Tora Augestad ist eine sowohl im Kabarett- und Jazzgesang wie in der klassischen und zeitgenössischen Musik erprobte Chanteuse, die unter anderem die „Dreigroschenoper“ mit dem Ensemble Modern und diverse szenische Liederabende des Regisseurs Christoph Marthaler aufgeführt hat. Für ihr Album „Weill Variations“ wurde sie 2008 mit dem Lotte-Lenya-Preis ausgezeichnet.

Mit ihren Musikern Stian Carstensen (Akkordeon), Mathias Eick (Trompete) und Pal Hausken (Schlagzeug) steht Tora Augestad im Theaterhaus auf der nachtblau und feuerrot beleuchteten Bühne, und schon zum Auftakt ist klar, dass dies bei aller kritischen Pointiertheit der Brecht-Stücke ein durchaus kulinarischer Abend werden wird. Die Arrangements sind opulent und jazzig aufgeladen, der Akkordeonist vollbringt Wunder an Virtuosität und klanglichen Nuancen auf seinem Instrument, der Trompeter improvisiert gekonnt, das Schlagwerk hat viele Facetten. Und die Sängerin verfügt über einen großartigen Fundus an vokalen Registern, artikuliert die gesellschaftskritischen Brecht-Songs diamantscharf und satirisch hintergründig.

Musikalische Preziosen in ihrer ausdrucksstarken Interpretation waren die von Hanns Eisler vertonten Exilgedichte „An den kleinen Radioapparat“ und „Vom Sprengen des Gartens“, allzu pathetisch aufgedonnert erschien das schöne Liebesgedicht „Erinnerungen an die Marie A.“ in der Chansonvertonung von Franz Brunier. Brillant dagegen widmete sich Augestad den von Kurt Weill in seinem Pariser Exil komponierten Chansons, bevor er 1935 zusammen mit Lotte Lenya nach den USA emigrierte. „Youkali“, das Sehnsuchtsland aus Glück und Freude, existiert freilich nur in seiner Phantasie, und Maxwell Andersons „September Song“ - inzwischen ein Evergreen im Great American Song Book - hat Weill dann als Musicalkomponist für „Knickerbocker Holiday“ 1938 am Broadway komponiert. Auch hier traf Tora Augestad mit ihrer Version die melancholische Stimmung des Songs perfekt.