Zu Beginn der Choreografie bewegen sich die Tänzer im Gleichschritt, später brechen sie aus der Uniformität aus. Foto: Abel Carmenate Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Ludwigsburg - Als am Tag nach dem Tod von Fidel Castro die ganze Welt auf die kubanische Geschichte und die letzte Bastion des real existierenden Sozialismus zurückblickte, da erhielt man im Ludwigsburger Forum am Schlosspark einen überraschenden Einblick in das moderne Kuba. Die 24 Tänzer der Danza Contemporánea de Cuba, dem erstaunlich traditionsreichen Gegenstück zu europäischen Institutionen wie dem Nederlands Dans Theater oder dem Aterballetto, bringen nicht nur eine unverkennbar karibische Note in den modernen Tanz, sie stellen auch deutliche Fragen an die Gleichberechtigung oder die Ziellosigkeit des modernen Großstadtlebens, zeigen die Liebe zu ihrem Land genau wie die Brüche in dieser Beziehung.

Die vibrierende, energiegeladene Kompanie tanzt mit einem Schuss Mambo und viel Sinnlichkeit, sie hebt sich durch ein ganz eigenes Bewegungsprofil von den vielen zeitgenössischen Kompanien ab, die ähnliche Werke im Programm haben. In „Reversible“ etwa fragte Annabelle Lopez Ochoa, neben Crystal Pite derzeit eine der gefragtesten internationalen Choreografinnen, aus einer formalen Gleichberechtigung heraus nach den Unterschieden zwischen Mann und Frau, nach Gruppenzwang und Verführung.

Der Schotte Billy Cowie entschleunigte den kubanischen Schwung ganz gewaltig, er hatte die melancholische Musik zu seinen „Tangos Cubanos“ selbst komponiert und erzählte fast lakonisch die Geschichte einer Beziehung, von einem langen, choreografierten Kuss bis zum gemeinsamen Dosenbier auf dem Balkon. Die einzelnen Stationen wurden von diagonalen Formationen des gesamten Ensembles unterbrochen. Cowie spann so den Hang zum gruppenhaften Unisono weiter, setzte ihn genau wie Ochoa im ersten Stück als Kontrast zum Einzelnen ein.

Ernste Gesichter hellen sich auf

Die Uniformität der Gesellschaft und den Ausbruch daraus machte George Céspedes, der junge Wilde des kubanischen Tanzes, in „Matria Etnocentra“ zu seinem Hauptthema. Die Mischung aus Zorn und Drang nach Individualität begann mit martialischen, aber raffiniert choreografierten Schreit-Exerzitien in Stiefeln und Armeehosen, wie bei einem sozialistischen Aufmarsch. Barfuß brachen die Tänzer nachher in kurzen, heftigen Solos aus der Matrix aus, aber immer standen ominöse Wächter in Hab-Acht-Stellung daneben. In den Farben der kubanischen Flagge wurden sie schließlich zum Arbeitsbataillon, bei dem sich am Ende doch irgendwie der landestypische Hüftschwung durchsetzte - war das nun Versöhnung oder eine stolze Resignation? Céspedes hatte noch das Verbeugen wie bei einer Brigade choreografiert, bevor die Tänzer angesichts der Standing Ovations ihre ernsten Gesichter verloren.

Die nächsten Tanzgastspiele in Ludwigsburg: „Die Schöne und das Biest“ mit dem Malandain Ballet Biarritz am 18.12., „Schwanensee“ mit dem St. Petersburger Yacobson-Ballett am 15.1., Bundesjugendballett & Bundesjugendorchester am 20.1., die Compañía Nacional de Danza mit „Carmen“ am 26.-28.1.

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