Wenn Magdalena Scharler und Gerhard Polacek in Georg Kreislers Beziehungsmusical „Du sollst nicht lieben“ auf dem Flügel ihre Szenen einer Ehe durchleben, gibt Pianist Reiner Hiby musikalisch den Ton an. Foto: Weiß Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

In seinem Beziehungsmusical „Du sollst nicht lieben“ bringt der Wiener Komponist Georg Kreisler Szenen einer Ehe mit all ihren Fallstricken, Winkelzügen und Hinterhalten des Zusammenlebens auf die Bühne. In der Inszenierung des Regisseurs C. C. Weinberger, die jüngst in der Dieselstraße Premiere hatte, wirkt das mal charmant und sehr heiter, mal melancholisch und dann wieder absurd, mal ist es bitterböse und schwarzhumorig anzuschauen. Im Wechsel von Gesangseinlagen und Spielszenen sorgen die Schauspieler Gerhard Polacek und Magdalena Scharler und der Pianist und Sänger Reiner Hiby mit diesem Abgesang auf die Liebe für einen vergnüglichen Abend.

Zwei Kreisler-Zwillinge sinnieren

Zum Auftakt balgen sich Hiby und Polacek als Kreisler-Zwillinge um den besseren Platz am Flügel und sinnieren über alte Männer, die ihre eigenen Lieder singen, schließlich war Georg Kreisler - übrigens viermal verheiratet - schon hoch in den Siebzigern, als er das Stück schrieb: „Worüber soll ein alter Mann schon singen? Über die Liebe, die Träume, die Politik, den Tod?“ Nur ein paar wenige Kreisler-Lieder klingen an, vom Taubenvergiften im Park über die Tango tanzenden alten Tanten bis zu „Mein Weib will mich verlassen, Gottseidank“. Denn für diese musikalische Komödie, die 1999 uraufgeführt wurde, hat Georg Kreisler populäre klassische Melodien von Bach über Beethoven und Schubert bis Tschaikowsky neu betextet - mit Zeilen, die die Irrungen und Wirrungen von Liebesbeziehungen auf den Punkt bringen: „In einem freien Land wäre die Ehe verboten“ heißt es da oder „Es ist egal, wen man heiratet - am nächsten Morgen ist es sowieso der Falsche“.

So harmonisch die Musik - zwischendurch erklingt auch mal ein augenzwinkerndes Carpendale’sches „Ti Amo“ - so disharmonisch die Beziehung, um die es im Stück geht: Die junge, alleinerziehende Sonja sucht für ihre Tochter einen Vater. Als sie Lothar begegnet, scheint er nicht eben ein geeigneter Kandidat: Der kulturliebende promovierte Junggeselle ist nicht mehr der Jüngste und hat mit festen Bindungen eigentlich nichts am Hut. Weil beide aber lieber zweisam als einsam sein wollen, Lothar unter Torschlusspanik leidet und Sonja versorgt sein will, lassen sie sich aufeinander ein: Er überreicht ihr ungelenk ein Bukett welker Rosen, es folgen das erste Rendezvous, der erste Opernbesuch, der erste Kuss, die erste gemeinsame Nacht. Dazwischen gibt es jede Menge Zweifel auf beiden Seiten, bis ein kurzer Abstecher zum Heiratsvermittler für Gewissheit sorgt und beide pragmatisch erkennen: „Die große Liebe wird uns wohl erspart bleiben.“ Es wird geheiratet, und es kommt, was kommen muss: Der Alltag tut der Beziehung nicht gut, sie ertragen sich nur noch mit Mühe. Lothar kommt seiner Sekretärin näher, als Sonja lieb ist. Sie rächt sich und flirtet unverhohlen mit dem Elektriker und mit einem jungen Mann im Publikum. „Ein Hund versaut einem nur den Teppich, ein Mann das ganze Leben“, resümiert die frisch Verheiratete.

Der Esslinger Schauspieler Gerhard Polacek und seine Berliner Kollegin Magdalena Scharler, die die Esslinger seit ihren Auftritten mit dem freien Ensemble Spielzeugen kennen, schöpfen das komödiantische Potenzial ihrer Figuren aus, wenn sie da gemeinsam auf dem Klavierhocker sitzen, der Pianist stattdessen mit einer profanen Bierbank vorlieb nehmen muss, wenn sich Polacek aus dem Jackett herauswurstelt oder Scharler gleich mehrere heiratswillige Damen gibt: Das ist ein hochkomischer Schlagabtausch, mit großem Gespür für Pointe und Timing schwungvoll dargeboten. Beide zeigen große Lust an der Übertreibung, finden aber auch immer wieder leise und berührende Töne. Die Inszenierung mit ihren anspruchsvollen Sprech- und Singszenen, die in die Dynamik der musikalischen Klassiker zu packen sind, stellt die beiden stimmlich vor eine große Herausforderung, die ihre Tücken hat. Kreislers Texte freilich, seine klugen Beobachtungen zu Jugendstreben, Schlankheitswahn und Älterwerden sind aktuell wie eh und je, wenn er angesichts von Frühlingsgefühlen älterer Herren köstlich dichtet: „Der Mond ist voll, und die Galle schmerzt.“ Regisseur C. C. Weinberger streut in das Zwei-Personen-Musical behutsam einige stimmige Aktualisierungen ein und nimmt einen Dritten im Bunde mit auf die Bühne: Der Nürtinger Pianist und Sänger Reiner Hiby gibt musikalisch den Ton an, hilft beim Entstauben der Klischees und schlägt sich auf die Seite des Publikums, wenn’s Sonja und Lothar mal wieder allzu toll treiben.