Natascha Moschini Foto: oh Quelle: Unbekannt

Stuttgart - Noch kreisen sie auf BMX-Rädern durch den Eingangssaal des Württembergischen Kunstvereins, am Freitag findet dort die Premiere von „sechsunddreißigtausend“ statt. Die Stuttgarterin Natascha Moschini, Performance-Künstlerin und Kooperationsstipendiatin der Akademie Schloss Solitude, ist eine der Kreativen dieser installativen Performance, die als Projekt der TanzSzene BW an drei Tagen durch die Räume führt.

Für was steht die Zahl im Titel?

Moschini: Es ist offen, für welche Einheit das tatsächlich steht: Emails, Euros, Minuten - Wir fragen damit nach Produktion, Strukturen, dem Erhalt von Strukturen.

Arbeiten Sie gemeinsam oder trägt jeder seine eigenen Teile bei?

Moschini: Wir haben den Überbau gemeinsam formuliert. Zusammengebracht hat uns Bea Kießlinger von der TanzSzene BW, die Dramaturgin Eva Böhmer ist unser Netz, die immer wieder das Ganze zusammenholt. Kaspar Wimberley und Susanne Kudielka tragen zwei Arbeiten bei und ich drei, die aber konzeptionell zusammengehören. Wir kommen eigentlich aus verschiedenen Sparten - Kaspar und Susanne sind ursprünglich Szenografen, die als Künstler installativ arbeiten, ich bin Tänzerin, arbeite performativ und oft mit Künstlern aus anderen Sparten. Für mich ist das eine permanente Auseinandersetzung: Was ist das eigentlich, Tanz, und warum treibt es mich ständig davon weg? Ich komme vom zeitgenössischen Tanz und vom Tanztheater, konfrontiere mich aber jetzt mit anderen Trainingspraxen wie Laufen oder Radfahren.

Ihr Stück beschäftigt sich mit der Kreativität und „der Notwendigkeit des Produzierens“. Fühlen Sie sich als Künstler unter Druck gesetzt?

Moschini: Ich glaube, bei mir ist das ein ganz persönlicher Leistungsdruck, weil ein Publikum ganz bestimmte Erwartungen hat. Vielleicht unterstelle ich das auch und bin dann immer wieder überrascht, wie offen die Leute reagieren.

Was ist der Markt, mit dem sie sich auseinandersetzen? Das Publikum, die Konkurrenz?

Moschini: Es geht darum, die Strukturen offenzulegen. Ein festes Theater hat seine Strukturen. In die freie Szene aber gehen Künstler auch deshalb, um anders zu funktionieren, um zu experimentieren. Dann kann man mit ganz bestimmten Dingen nicht in Vorleistung gehe. Wenn ich Konzepte schreiben, entspricht das nicht meiner Praxis, sondern es ist die Antwort auf so eine Struktur. Darüber haben wir uns sehr viele Gedanken gemacht, und das legen wir komplett offen.

Stuttgart wurde soeben wieder zur Kulturstadt Nr. 1 in Deutschland gewählt. Merkt die freie Szene etwas davon?

Moschini: Ich empfinde das als nicht sehr beweglich hier. Es gibt Angebote, aber es gibt kaum Festivals, die internationale Positionen einladen, das fehlt mir extrem. Ich lebe in Bern, wo es mit der lokalen Szene auch nicht besser aussieht, wo es aber in jeder Sparte Festivals gibt. Für mich ist das der Moment, wo ich netzwerke - wenn Künstler von außen kommen, wenn ein Austausch stattfindet. Das ist essenziell, um nicht zu stagnieren. Es geht um Stuttgart in unserer Produktion, wir wollten uns aber kulturpolitisch nicht einmischen. Wir wohnen alle nicht mehr hier, wir arbeiten alle nicht mehr hier, was sind wir dann für Stellvertreter? Ich stamme aus Stuttgart, aber ich bin mit 21 Jahren weggegangen in die Niederlande. Ich fühle mich freier, wenn ich fremd bin.

Die Fragen stellte Angela Reinhardt.

Die Premiere von „sechsunddreißigtausend“ findet am Freitag, 23. September, um 20 Uhr statt. Weitere Vorstellungen am Samstag, 17 Uhr und als Brunch mit den Künstlern am Sonntag, 11 Uhr.