Footit (James Thiérrée) und Chocolat (Omar Sy) freuen sich über ihren Erfolg, doch sie tanzen nur auf dünnem Eis. Foto: Julian Torres-Gaumont Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Esslingen - Wir leben in einer aufgeklärten und politisch ach so korrekten Epoche, und wenn wir von der Sklaverei vergangener Zeiten hören, schütteln wir ungläubig den Kopf ob all der Grausamkeiten, zu denen Menschen damals fähig waren. Deshalb mag mancher Roschdy Zems biografisches Kino-Drama „Monsieur Chocolat“ zunächst durch die historische Brille sehen. Denn die (wahre) Geschichte des ersten schwarzen Künstlers, der je auf einer französischen Bühne Erfolge feierte, beginnt im Jahr 1887, und das ist lange her. Doch dieser vorzügliche Film hat nicht nur eine historische, sondern auch eine sehr aktuelle Dimension: Er konfrontiert den Zuschauer mit der Frage, wie wir es heute mit dem Fremden und Ungewohnten halten.

Rafael Padilla (Omar Sy) ist der Sklaverei entkommen - nun verdingt er sich in einem französischen Wanderzirkus als wilder Urwaldmensch, der dem Publikum mit seinem ungezähmten Auftritt wohligen Nervenkitzel beschert. Als der Stern des Clowns George Footit (James Thiérrée) zu sinken beginnt, bekommt Rafael eine unverhoffte Chance: Footit will seiner Nummer einen neuen Kick geben und macht Rafael, der sich fortan Chocolat nennt, ebenfalls zum Clown - wobei die Rollen klar verteilt sind. Footit gibt den Ton an, Chocolat muss sehr zum Vergnügen des Publikums den dummen August geben. Höhepunkt der Nummer ist ein kräftiger Tritt von Footit in den Allerwertesten seines Kollegen.

Ruhm ist nichts für die Ewigkeit

Aus einer Zweckgemeinschaft entwickelt sich Freundschaft, die Nummer wird ein Riesen-Hit, das Publikum kommt in Scharen, um den ungleichen Clowns zuzujubeln. Natürlich dauert es nicht lange, bis sich die Qualitäten der beiden herumsprechen: Sie werden an die größten Zirkushäuser in Paris engagiert, kommen zu Ruhm und Wohlstand. Doch mit des Schicksals Mächten ist bekanntlich kein ew’ger Bund zu flechten. Bald kommt es zu Spannungen zwischen den beiden Bühnenpartnern: Während Footit erkennt, dass sein eigener Erfolg nur Chocolat geschuldet ist, wird seinem Kompagnon immer wieder vor Augen geführt, dass ihn die meisten nicht ob seines komödiantischen Talents schätzen, sondern weil er bereitwillig das Klischee vom tumben Schwarzen bedient, der jedes Vorurteil bestätigt. So nimmt die Geschichte eine tragische Wendung. Und als er nach einer durchzechten Nacht im Gefängnis landet, wird ihm schmerzlich bewusst, dass man ihn nie um seiner selbst willen akzeptiert hat - und schon gar nicht als ernstzunehmenden Schauspieler ...

„Es ist in Frankreich, wie auch anderswo, recht selten, dass man eine originelle Idee findet“, weiß Regisseur Roschdy Zem. Umso begeisterter war er, als ihm die Drehbuchautoren Nicolas und Eric Altmayer ihre Geschichte präsentierten. Zem fand sofort Gefallen an den starken Figuren und an einem starken Sujet. Den Regisseur reizte „die Geschichte eines Paares, das sich begegnet, zusammen etwas erschafft und vom Leben getrennt wird. Aber auch die Emanzipation eines Mannes, der das Leben entdeckt, zu einem überlegten, weniger arglosen und daher weniger fügsamen Erwachsenen heranwächst“. In diesem Stoff sah Roschdy Zem die Chance, auch etwas über Frankreich zu erzählen - das damalige und das heutige. Denn wer sich diesen wunderbaren Film anschaut, wird immer wieder daran erinnert, dass es auch heute noch latenten und bisweilen sogar ganz offenen Rassismus gibt - diesseits und jenseits des Rheins.

Roschdy Zems Kino-Drama erzählt von Aufstieg und Fall des ersten schwarzen Künstlers, der auf französischen Bühnen Erfolg hatte. Der Film lässt die Belle Epoque in eindrucksvollen Bildern lebendig werden und folgt einer wahren Geschichte, die nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Und er hat mit Omar Sy und James Thiérrée zwei tolle Hauptdarsteller, die die Handlung überzeugend tragen.